Es war im März 1992, als ich mit meinem Vater und seinem Jeep Wrangler eine Woche Urlaub in der Ardeche machte. Die Auberge 4x4 hatte zwar eigentlich zu dieser Zeit nicht geöffnet, doch wir waren trotzdem herzlich willkommen.
Die Dias, die ich in diesem OFF ROAD-Urlaub schoß, begeisterten meine Kamener Freunde Skrobi und Georg doch sehr. So beschlossen wir, den Landstrich mit Motorrädern heimzusuchen. Skrobi und Georg fuhren zu diesem Zeitpunkt jeweils eine XT 350 (mittlerweile hat Georg eine DR 350 und eine TT 350) und ich ein richtiges Motorrad. Leider konnte ich nur eine Woche Urlaub bekommen, bei Skrobi und Georg sollten es zwei sein. In der Vorbereitungsphase stellte sich mir das Problem der Gepäckunterbringung, und ich hatte keine Lust auf eine Gepäckrolle. So schweißte ich mir einen kleinen Gepäckträger, auf den ich eine Zarges-Box schraubte und auf der linken Seite eine MG-Gurt-Kiste für mein Werkzeug. Nun konnte es los gehen.
Start in Bergedorf gegen 15:00 Uhr bei Sonne und Wind. Jörg sagte beim letzten Stammtisch noch zu mir: "Tom, Dein größter Feind ist die Kälte!" und schon nach 50km weiß ich, was er meint. Ich verfluche diesen Gegenwind und die Kälte und ziehe bei Bremen meine Regenkombi über. 337km lege ich an diesem Tag zurück, wobei die letzten 60km sich mit AC/DC im Walkman am besten fahren.
Georg will sich am selben Abend noch mit Freunden und Skrobi in einer Kneipe treffen. Ich frage ihn, ob wir die XTs, oder den Wagen nehmen und er antwortet nur trocken: "Tom, wir sind hier in Kamen, wir können zu Fuß gehen!".
Am Morgen treffen wir drei uns beim örtlichen Kawasaki-Händler und fahren von dort aus auf die Autobahn. 500km bis Freiburg liegen vor uns, und wir schaffen sie in weniger als 8 Std.. 18:00 Uhr erreichen wir die Wohnung einer Freundin, unsere Unterkunft für diese Nacht. Den Abend verbringen wir in Freiburg-Downtown, die sehr schön ist. Viele Kneipen, haufenweise junge Leute und eine tolle Altstadt mit kleinen Wasserläufen an den Gehwegen. Auf dem Rückweg spricht uns Moni, eine Freundin der Wohnungsinhaberin, ihren Neid aus, daß wir nach Frankreich fahren. Im Scherz sage ich, daß sie ja mitkommen könne und sie: "Sag das nicht, das mach' ich!" Einen zweiten Helm hat Georg zum Crossen noch mit, Lederjacke und Regenzeug leiht sich Moni irgendwo zusammen und schon sitzt, die uns bis dahin Unbekannte, am nächsten Morgen mit auf dem Bock.
Um 09:00 Uhr starten wir in Freiburg. Georg spricht von weiteren 500km bis zur Auberge 4x4. Er sollte sich nur um 100km verrechnet haben. Für Moni, die noch nie zuvor auf einem Motorrad saß, ist es natürlich recht hart. In der Dunkelheit erreichen wir Ruoms und schlafen zu viert in den drei Betten. Der Vermieter ist nicht da, hat aber den Schlüssel unter der Gießkanne hinterlegt.
Vom Vermieter bekommen wir noch ein Zimmer und räumen kurz um. Danach geht es los, den ersten Tag crossen. Moni bleibt im Ort und beschäftigt sich selbst, was ihr aber auch von vornherein gesagt wurde. Wir bewegen uns mit unseren XTs fast nur auf ungeteerten Wegen und schwitzen im schwarzen Leder unter der sengenden Sonne.
Der Tagesablauf ist ähnlich dem Montag. Einer der Fahrer holt Baguette, und wir frühstücken gemeinsam mit Moni. Danach geht es wieder auf Schotterpisten durch die Ardèche. An diesem Tag stürze ich dreimal im Gelände und Georg einmal.
Bei mir bricht der Handbremshebel so passend ab, daß ich nun einen bequemen Zweifingerhebel habe, bei Georg verbiegen nur die Blinker. Daß Skrobi sich in diesem Urlaub überhaupt nicht hinlegt, war klar. Er fährt viel zu gut. Dafür muß er auf einer Schotterpiste mal zurückfahren, um seine abgebrochene Werkzeugtasche zu holen und auch seine beiden hinteren Blinker werden nach einer Weile auf den Pisten nur noch vom Kabel gehalten. Dies ist auch der Tag, an dem Georg fast sein Motorauffahrschutzblech verliert hat. Es wird nur noch von einer losen Schraube gehalten.
Der Inhalt des letzten Absatzes findet sich auch auf den Postkarten wieder, die Olaf Jonni Winkler von uns erhält. Die eine contra XT 500, die andere contra XT 350.
Eigentlich wollen wir an diesem Tag eine Kanutour auf der Ardèche machen, doch eine zu hohe Regenwahrscheinlichkeit hält uns davon ab. Also beschließen wir in die Chevennen, ein nahe gelegener Gebirgszug (1600m) zu fahren. Nur wenige Tropfen treffen uns. Die Berge, mit ihren für die Feuerwehr angelegten Wegen, begeistern sie uns sehr.
Ein weiterer Tag mit crossen steht auf dem Plan und so fahren wir immer wieder die am Vorabend gefundene, örtliche Cross-Piste. Mittlerweile ist es sehr windig geworden, so windig, daß XTs vom Seitenständer kippen.
Am Nachmittag nehmen wir Moni mit und fahren in den Druidenwald. Bizarre Felsformationen wechseln sich mit verkrüppelten Bäumen ab.
An diesem Tag soll nun die lang ersehnte Kanutour stattfinden. Früh treffen wir uns mit dem Kanuverleiher, der uns aufgrund des heftigen Windes nur zu einer 6km Kanutour rät. Unvernünftiger Weise (wir sind ja nicht auf einem Ponyhof) entschließen wir uns für eine 24km-Tour.
Gleich bei der ersten Stromschnelle machen Skrobi und ich Bekanntschaft mit dem äußerst kalten Schmelzwasser aus den Chevennen. Wir wechseln die Klamotten, und ich ziehe die Regenkombi über. Georg und Moni tragen lieber um. Bei der dritten Stromschnelle werden wir wieder naß, aber macht ja nichts.
Durch die Regenkombi werde ich einigermaßen vom Wasser verschont, doch Skrobi hat nichts trockenes mehr. Wir wollen in Bewegung bleiben, um nicht auszukühlen, doch unser Eifer wird gebremst. Wir blicken zurück und sehen das Kanu von Moni und Georg Kieloben in der Ardèche schwimmen. Georg rafft sich gerade aus den Fluten empor, Moni ist noch unter dem Kanu. Dumm gelaufen. Nach diesem Tauchgang müssen sie ihre Klamotten komplett wechseln, und der Unmut ist groß. Da es aber erst nach besagten 24km einen Ausweg aus dem Ardèche-Tal gibt, müssen wir weiter. Mittlerweile sind vier Stunden um und erst 5km geschafft. Also noch weitere vier Stunden Zeit und noch 19km zu fahren. Schade, doch wir schaffen es. Mit 15min Verspätung erreichen wir das Ziel, und werden vom Kanuverleiher mit den Worten: "Willkommen in der Zivilisation!" begrüßt. Mit seinem Wagen geht es zu ihm, von dort müssen wir in den nassen Sachen noch 10km mit den XTs fahren. Es ist zum Sterben kalt.
Gleich am Morgen muß ich zum zweiten Mal mein Vorderrad flicken. Mit einer Stunde Verspätung starten Moni und ich nach Freiburg. Skrobi und Georg haben noch eine weitere Woche in der Ardèche. Der Wind bläst immer noch und ich habe einen sehr hohen Verbrauch an Energie und Sprit auf der Autobahn. Der Sprit geht aus und ein Transporter nimmt uns mit XT mit zur nächsten Tanke.
Hier stelle ich fest, daß ich mich völlig verfahren habe und auf dem Wege in die Schweiz bin. Was soll's, dann fahren wir eben durch die Schweiz. Es ist saukalt, unsere Klamotten sind zum größten Teil noch naß, ein Schweizer muß mir eine Tank-füllung spendieren und irgendwann schneit es auch noch. Er ist echt zum Schreien. Nach 660km und 11 Std. Fahrt erreichen wir Freiburg in der Nacht. Wir sind völlig fertig. Ich schaffe es gerade noch mich in die Wanne zu schmeißen, in der ich eine Jimmi Hendrix Kassette lang liege.
Vor mir liegt die Strecke Freiburg - Hamburg, nur auf der Autobahn. Da habe ich richtig Bock drauf. 6x tanken, 1x Kette spannen, 8x Cassette umdrehen. Nach weiteren 11 Stunden und 760km erreiche ich das traute Heim in Bergedorf.
3.400km bin ich nun in diesen 10 Tagen gefahren und das hat auch gereicht.
Tom Zündel
© Tom Zündel, Stand 03.04.1997